Bauen mit Professor Thomas Kesseler

Professor Thomas Kesseler steht für den intensiven Dialog von Ort und Typologie, Materialität und Farbe. Als Künstler wie auch als klassischer Architekt bin ich in allen Leistungsphasen seit 1984 erfolgreich tätig.

Farbiges Entwerfen

Der Mensch als ursprünglicher Steppenbewohner ist von seinem Körperbau her symmetrisch aufgebaut und eindeutig gerichtet. Das Blickfeld ist auf die Horizontalität ausgerichtet. Die Beweglichkeit von Körperachse, Beinen und Hals unterstützen die horizontale Wahrnehmung mehr als die Vertikalität.

Das menschliche Auge hat seinen größten Sensibilitätsbereich im Blau/Grün Spektrum, abgeleitet von seiner Steppenvergangenheit. Rot als Komplementärkontrast ist daher Signalfarbe, unterstützt vom Signalcharakter des Blutes und der roten Lippen. Grün als Raumfarbe wird daher wie schon von Goethe formuliert als ausgleichend und angenehm wahrgenommen.

Der Wahrnehmungsapparat des Menschen basiert auf der ständigen Bewegung des Auges und der Wahrnehmung von Farbunterschieden als Sicherung durch Beobachtung in der freien Natur. Immer gleiche Farben wirken daher eintönig und verringern Aufmerksamkeit und Schaffenskraft. Das Auge sucht Kontraste in Farbintensität, Helligkeit und Komplementarität.

Der Sehprozess ist ein kognitiver Vorgang als Leistung des Gehirnes. Die Nervenreize der Augennetzhaut wird im Gehirn zum Bild zusammengesetzt. Daher ist die optische Wahrnehmung ein individueller Akt. Schichten des kollektiven Unbewussten, der persönlichen Geschichte, Assoziationen, historischer Komponenten und lokaler Traditionen wie auch das Geborensein auf bestimmten Breitengraden bzw. in bestimmten Licht/Farbverhältnissen prägen die Wahrnehmung.

Wahrnehmung ist daher historischen Einflüssen, Modeerscheinungen wie von der Persönlichkeit mit ihren grundsätzlichen Charaktereigenschaften abhängig.

Jede Farbe hat dazu positive und negative Aspekte. Rot ist Angst, Wut und Agressivität, aber auch Lebendigkeit, Liebe und Aufmerksamkeitssignal des Progressiven. Gelb kann giftig, sauer und gallig ätzend sein aber auch als Sonnen durchflutet warm und leuchtend empfunden werden. Blau besitzt den einen Pol des melancholisch Fernen und Kalten, aber auch die positive Weite und Tiefe der Sehnsucht nach dem Himmel.

Bislang wurde die Farbigkeit vielfach als eigene Planungsleistung in der Architektur und Innenarchitektur vernachlässigt. Farb- und Materialkonzepte gelten zu selten als eigene Planungsleistung. In der zunehmenden Beschränkung der Planungs- und Bauleistung auf die zu Verfügung Stellung von neutralen Flächen wird die Innenarchitektur als Leistung aufgewertet.

Historisch sind Architektur und Farbe intensiv verbunden. Die Architektur galt Lange als die Mutter der Kunstgattungen. Welcher pompejanischer Raum, barocker Gartensaal oder gotischer Kirchenraum könnte ohne sein spezifisches Farbkonzept leben. Ja vielfach ist die materielle und farbige Präsenz der Räume in der Erinnerung deutlicher als die eigentliche Raumform, die ja über Oberflächen und Farbwirkungen erst in die richtige räumliche Wirkung gesetzt wird.

Der Ursprung der Kunst war vor allem die angewandte Kunst. Die Malerei war kein unabhängiges Verkaufsgut sondern sie wurde immer für bestimmte Orte entwickelt oder war sogar untrennbar als Wandmalerei mit der Architektur verbunden. Bilder architektonisierten sich bis hin zum Phänomen der Perspektive und des Trompe Lòile.

Architektur war umgekehrt betrachtet ein gebautes Bild. Ein geschlossener Raum wurde oftmals zum Gartensaal, oder gemalte Himmel rissen die Gewölbe auf. Malerei garantierte die Visionäre Kraft des Raumes und verwandelte die schwere der Baumaterialien in Bilder von schwereloser Existenz. Bilder erweiterten die Realität des Raumes wie die Realität der menschlichen Existens.

Die Wandbilder, oft riesigen Glasinstallationen und in kraftvollste Farbe getauchten Leinwände von Thomas Kesseler sind architektonische Elemente wie Tore und Fenster. In den Räumen, wo sie auftauchen entwickeln sie eine Kraft die über die Architektur hinausgeht. Malerei wird  selbst zur Architektur, Bilder bauen Räume. Die Farbkraft erfasst die Bewohner und Betrachter und führt sie zu einer neuen Motivation Raum und Bild wahrzunehmen.

Kesselers architektonische Konzepte sind ohne die Sprache von Farbe, oft auch nur Nuancen von Grisaillen nicht denkbar, sie sind Bildarchitekturen, die mit erstaunlichen historischen Gedächtnisbildern arbeiten. Malerei und Raumerlebnisse von Steinzeit bis zur Renaissance und Barock werden wieder vor Augen geführt.


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